Prof. Dr.med. Frank-Ulrich Montomery

Das medizinisch verordente Leid

Montgomery Frank-Ulrich Montgomery Mediziner, seit Juni 2011 Präsident der Bundesärztekammer

Das Aus für die Sterbehilfe

auf dem Kieler Medizinertag ist ein erheblicher Schritt in Richtung unmenschlicher Medizin. Jedem Denkenden sollte es klar und unzweifelbar sein, was der Soziologe Prof. Dr. Frank-Reiner Rupprecht erkannte:

"Das Recht auf einen selbst bestimmten Freitod (Suizid) zu einer vom Individuum selbst bestimmten und erwählten Zeit ist ein Naturrecht des Menschen und ein evidentes Menschenrecht, das keiner weiteren Begründung bedarf [...] Das Recht auf einen selbst bestimmten und selbst zu vollziehenden Freitod mit medizinischer Unterstützung ist auch eine Konsequenz der Freiheit und Autonomie des Menschen [...]"

Das ist bei Frank Ulrich Montgomery und seinen Anhängern nicht angekommen. Die Unterwerfung aller Ärzte unter den Gruppenzwang der Bundesärztekammer missachtet, dass es durchaus Mediziner gibt -- auch wenn diese in einer demokratischen Minderheit sind --, die aufgrund ihrer persönlichen Welt- und Lebensanschauung wirksam helfen könnten, einem Sterbewilligen zu seinem Natur- und Menschenrecht auf selbstbestimmten Freitod zu verhelfen. Wir leben in einer pluralen Gesellschaft was die Lebensanschauung betrifft. Und so plural ist auch die Ärzteschaft. Eine Gleichschaltung aller Mediziner ist wohl de jure möglich, de facto aber nicht. Und dann müssen auch Juristen anders urteilen.

Das Recht auf einen selbstbestimmten Freitod ist jedenfalls nicht demokratisierbar, nicht majorisierbar.
[Siehe hierzu auch "Qualia"!],

Sterbehilfe

Anmerkungen zum Deutschen Ärztetag im Deutschlandfunk vom 02.06.2011

Von Rainer Burchardt

Ein Arzt, der einem sterbenskranken Patienten auf dessen Wunsch hin bei dessen Leidenserlösung hilft, muss wieder mit Bestrafung bis zum Entzug seiner Zulassung kämpfen - ein Resultat dieses Ärztetages, dass de facto einen Rückschritt in der Human-Medizin bedeutet.

Keine Frage: Dieser Kieler Kongress hat den konservativen Flügel der deutschen Ärzteschaft gestärkt und humanethische Gesichtspunkte aus dem Verantwortungsbereich von Medizinern kurzerhand kassiert.

Nachdem jahrelang, und aus guten nicht zuletzt gnädigen Gründen eine faktisch aktive Sterbehilfe zugunsten von Patienten, die dies ausdrücklich wollten, geduldet, ja erst vor einem Jahr durch den Bundesgerichtshof bestätigt wurde, nun also der juristische Salto mortale rückwärts. Oder anders formuliert: Ein Arzt, der einen sterbenskranken Patienten auf dessen Wunsch hin bei dessen Leidenserlösung hilft, muss mit Bestrafung bis zum Entzug seiner Zulassung kämpfen.

Gerade mal ein Jahr also hat der stillschweigende Konsens gehalten, zumal mit der vorher eingeführten Patientenverfügung für eine größtmögliche Selbstbestimmung der leidenden Person gesorgt wurde. Sollte man meinen. Doch dieses Rezept kann man jetzt als zumindest standesrechtlich faktisch aufgehoben betrachten. Denn, so verkündete schon zuvor der heute neu gewählte Präsident der zuständigen Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, der Doktor solle Leben retten und nicht beenden.

Wie schön, der Fehler dabei ist nur: dass dies völlig an den Realitäten vorbeigeht. Selbst die in Kiel beschlossene Verbesserung der Palliativmedizin ist allenfalls ein argumentatives Hilfs-Vehikel, mit dem eine - oft genug völlig untaugliche - Alternative für humanes Sterben ausgezeigt werden sollte.

Es drängt sich gerade heute angesichts des relativ knappen Wahlergebnisses für Montgomery, der sich erst beim zweiten Durchgang gegen seine Mitbewerber durchsetzen konnte, der Verdacht auf, dass dieser die konservative Konkurrenz aus der eigenen Denkschule gefürchtet und deshalb diesen rigorosen Kurs eingeschlagen hat. Ein taktisches Wahlkampfmanöver also, allerdings mit einer vermutlich inhaltlich schwer zu korrigierenden Programmatik.

Das kann sich noch böse rächen, denn damit hat die Standesorganisation der Ärzte entgegen ihren eigenen Zielsetzungen nicht für mehr, sondern weniger Klarheit gesorgt, ja sie treibt damit faktisch viele Mediziner, die seit Jahrzehnten ihre Patienten betreuen und deren Vertrauen genießen, in einen ausweglosen Gewissenskonflikt. Bildlich gesprochen: Mit dem künstlich erzeugten Schreckensbild, wonach gewissermaßen der Helfer in Weiß seinen Kittel gegen das "schwarze Gewand" von Freund Hein tausche, werde geradezu berufsethische Identitätskonflikte heraufbeschworen.

Völlig zu Recht hat heute die Vorsitzende der Humanistischen Union, Rosemarie Will diese Verfügung mit den Worten kritisiert, wer in ausweglosen Situationen als Arzt den Beistand verweigere, weil es ihm berufsethisch verboten sei, verweigere notwendige professionelle Hilfeleistung. So ist es - der Drei-Viertel-Mehrheit beim Kieler Konvent muss man leider bescheinigen, dass sie mit dem Sterbehilfeverbot, auf höchst fragwürdige Weise die Verantwortung an die Suizidwilligen oder im Zweifel an die Justiz wegdelegiert. Das ist beschämend.

Es wird interessant sein, zu sehen, wie sehr diese Verfügung tatsächlich mit der gültigen Rechtsprechung in Einklang steht. Denn immerhin hatte der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vor Jahresfrist das Urteil gegen einen Arzt mit der Begründung aufgehoben, das Abschalten eines Beatmungsgerätes oder das Durchschneiden einer Magensonde sei ein zulässiger Behandlungsabbruch. Mit Töten auf Verlangen oder Totschlag habe dies nichts zu tun. Voraussetzung sei allerdings, dass dies vom Patienten oder von der Patientin zuvor eindeutig so geäußert wurde.

Mit anderen Worten: Lebenserhaltende Behandlungen dürfen beendet werden, wenn der Patient eine entsprechende Verfügung getroffen hat.

Es hat den Anschein, dass nach Kiel dies nicht mehr gelten, zumindest aber aufgeweicht werden soll. Das Fatale dabei ist, dass anstatt mehr eher weniger Klarheit geschaffen wurde. Zurück bleiben ratlose Patienten und Ärzte -- und ein, wenn auch knapp -- neu gewählter Oberärztefunktionär, dem bei weiteren Eingriffen eine glücklichere Hand zu wünschen ist.